Das 1×1 zum Barfusslaufen

Die Anatomie des Fußes ist ein Wunderwerk der Evolution. Die insgesamt 28 Knochen, 32 Gelenke, 30 Muskeln, und über 100 Bänder und Sehnen ermöglichen, unser Gewicht beim Laufen optimal abzufedern und sind damit essentiell für den aufrechten Gang.

Meine großen Füße waren für mich als Teenager eine Herausforderung: Schuhgrösse 43! Und das als Mädchen. Keine schicken Schuhe für mich. Peinlich in der Tanzschule und dann später auch in der Disko. Eigentlich standen für mich nur Turnschuhe, Flip Flops oder einfach barfuß gehen zur Auswahl.

Im Nachhinein war es meine Rettung. Gesunde Füße sind, wie ich heute weiß, eine Basis für einen gesunden Körper und Geist. Viele von uns tragen Schuhe, die im Namen der Mode die Füße unnatürlich verformen und auf längere Sicht unserem gesamten Körper Schaden zufügen können.

Als ich die Eitelkeit, was Schuhe betrifft, hinter mir lassen konnte, entdecke ich, wie gut ich mich barfuß oder nur mit minimalem Schuhwerk fühlte. Überhaupt tut mir das Laufen gut. Nicht nur körperlich sondern auch mental. Es gibt mir das Gefühl „richtig zu sein“.

Seit 3 Jahren bin ich mit meinen Barfußschuhen von Senmotic sehr glücklich unterwegs. Und nach der Recherche zu diesem Artikel werde ich in Zukunft verstärkt auch ganz auf Schuhe verzichten.

Barfußlaufen sensibilisiert.

Beim Barfußlaufen werden durch das Einbeziehen der Zehen und der gesamten Fußsohle ungefähr 30 Muskeln aktiviert und ermöglichen über das Fasziennetzwerk Feedback über die Bodenbeschaffenheit des Weges. Das ermöglicht uns, stabil zu stehen und das Gleichgewicht optimal zu halten. Nicht unser Skelett hält den Körper aufrecht, sondern das Spannungsnetzwerk von Muskeln und Faszien und die propriozeptive Rückmeldung über das Nervensystem. Das ermöglicht Stabilität bei größtmöglicher Beweglichkeit.

Bei Laufen in Schuhen sind hingegen deutlich weniger Muskeln beteiligt und wir bekommen kaum Feedback über unsere Füße. Das sensorische Feedback beim Barfuß laufen animiert uns dazu, die Füße behutsamer aufzusetzen, um die Kräfte beim Aufprall zu verringern.

Barfußlaufen federt unser Gewicht ab und schont damit Gelenke und Wirbelsäule.

Der Evolutionsbiologe Daniel Lieberman von der Universität Havard, der mit Joggern in der ganzen Welt geforscht hat, sagt: „Die meisten Menschen glauben heute, es sei gefährlich und schmerzhaft, barfuß zu laufen”. Jedoch das Gegenteil der Fall. Selbst auf hartem Untergrund ist es angenehmer, ohne Schuhe zu laufen und das Verletzungsrisiko geringer. Bei richtigem Ballen- oder Mittelfußgang verbessern sich Knie-, Hüft- und Rückenbeschwerden und die Körperhaltung insgesamt.

Barfußlaufen macht glücklich und klug.

Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Psyche. Barfußlaufen, besonders in der Natur, ist ein natürliches Antidepressivum. Sich in seinem genetisch natürlichen Bewegungsmuster und der entsprechenden Umgebung zu bewegen, gibt einem das Gefühl von Vollständigkeit und Richtigkeit.

Durch natürliche Bewegung entwickelt sich auch das Gehirn und die Geschicklichkeit. Der Leipziger Faszientherapeut Frank W. Demann schreibt: „Die stärkste Anregung zum Verschalten von Synapsen und zum Ausschütten von nervenzellerhaltenden Faktoren sind komplexe Ganzkörperbewegungen. Hierzu gehören vor allem Bewegungen, die die Geschicklichkeit fördern. Dadurch werden mehrere Hirnareale überdurchschnittlich beansprucht. Gleichzeitig werden nervenzellschützende Faktoren ausgeschüttet, welche die Verschaltung und Erhaltung der neuen neuronalen Strukturen gewährleisten.

Das bedeutet: Diese nervenzellschützenden Faktoren fördern die weitere Synapsenbildung sowie das Aussprossen der Nervenverästelungen und den Nervenstoffwechsel. Die dadurch neu entstehenden Vernetzungen der Nervenzellen untereinander stellen die Grundlage für die Denkleistungen des Menschen dar.

Aktiviert wird dadurch vor allem der Hippocampus, eine Region des Gehirns, die u.a. für das Lernen und die räumliche Orientierung zuständig ist. Eingeschränkte Beweglichkeit hat auch immer eine eingeschränkte Gehirnleistung und -regenerationsfähigkeit zur Folge.

Barfußlaufen regt die Selbstheilungskräfte an.

Durch das Laufen ohne Schuhe wird die Durchblutung angeregt, uns wird wärmer, Fußkrankheiten wie Fuß- und Nagelpilz verschwinden. Außerdem werden unsere Füße ständig massiert, die Immunabwehr und Selbstheilungskräfte gestärkt. Missbildungen durch ungesunde Schuhe (Hallux, Hammerzehen, Knick-, Senk- usw. Füße können sich nach und nach wieder erholen. Auch Krampfadern kann so vorgebeugt werden.

Besonders das (Barfuß)Laufen auf natürlichem Untergrund, auch Grounding oder Earthing genannt, hat antioxidative und schmerzreduziernende Eigenschaften. Die negative elektrische Ladung der Erde wirkt entzündungshemmend auf unseren Körper. Chronische Entzündungen sind Ursache vieler Beschwerden und Krankheiten. Schon seit den 1960er Jahren wurde in verschiedenen Studien der positive Einfluss von Grounding auf chronisch degenerative Krankheiten, wie Arthritis, Multiple Sklerose und Alzheimer sowie die Reduzierung von chronischen Schmerzen und Stress erforscht. Mangelnde „Erdung“ scheint mitverantwortliche Ursache für diese Krankheiten und auch für PMS und Schlafstörungen zu sein. Grounding wird nun als neue Behandlungsmethode ohne schädliche Nebenwirkungen erforscht.

Barfußlaufen mobilisiert das Fasziennetzwerk.

Barfußlaufen unterstützt alle Organsysteme und die Zellfunktionen über die Aktivierung des Bindegewebes und der Lymphe. Die Faszienspannung steht in Verbindung mit dem autonomen Nervensystem, welches u.a. Atmung, Verdauung und Herzschlag reguliert. Die Aktivierung der Lymphe unterstützt die natürliche Entgiftungs- und Auscheidungsfunktion des Körpers.

Faszien sind unsere Wasserspeicher und müssen genau wie Wasser ständig in Bewegung sein, um gesund zu bleiben. Sie können bei Untätigkeit verfilzen und sogar verhärten, was die Beweglichkeit in den betroffenen Körperteilen einschränkt. Nach neusten Erkenntnissen sind Faszienverklebungen Hauptursache der typischen Rücken- und Nackenschmerzen in unserer Gesellschaft. Hier gut erklärt.

Gesunde Faszien dienen durch ihre Elastizität als Energiespeicher. Wie bei einer Sprungfeder wird die maximale Spannung plötzlich freigesetzt und spart Muskelkraft. Deshalb hat man barfuß auch mehr Kraft und wirkt durch die innere Spannkraft energiegeladen.

Barfußlaufen ist sicherer, als du denkst.

Die Haut der Füße ist sechsmal widerstandsfähiger gegen Verletzungen, als die Haut an anderen Teilen des Körpers. Durch häufiges Barfußlaufen wird außerdem die natürliche Fettschicht zwischen oberer und unterer Epidermis etwas dicker, was die Fußsohle zusätzlich polstert und unempfindlicher macht.

Geh es langsam an.

Barfuß laufen braucht Zeit. Die Füße haben sich erst wieder an die neuen Belastungen zu gewöhnen. Die Fußmuskulatur und die Haut der Fußsohle brauchen Zeit, um wieder zu erstarken. Die durch das Laufen mit Schuhen zu stark beanspruchten Muskeln an Schienbein und Wade, lernen sich zu entspannen. Also besser erst mit kurzen Distanzen beginnen und sich an den neuen Gang gewöhnen. Auch die gewohnten Strecken und Geschwindigkeit nicht krampfhaft beibehalten, sondern das Ganze langsam angehen und das Laufen quasi neu entdecken.

Die Autorin Sabrina Fox, die vor 3 Jahren aufs Barfußlaufen umgestiegen ist, schreibt über die Umgewöhnung: „Leute, die Barfuß laufen, landen auf dem Ballen, also genau vor dem Fußgewölbe. Dann erst kommt die Ferse nach unten. Das ist sehr viel bequemer. Der ganze Vorderfuß ist mit seinen Gelenken auf Federung eingestellt. Seit über zwei Millionen Jahren sind die meisten Leute so gelaufen … Ich habe mir den Ballengang angewöhnt – also vorne mit dem Ballen zuerst auftreten und nicht mit der Ferse. Dadurch ist das Aufprall bei jedem Schritt im Körper sehr viel sanfter. Das hat eine Weile gedauert und war zuerst mit erstaunlichem Muskelkater verbunden. Jetzt fühle ich mich wohl damit (…) Es ist auch unpraktisch von heute auf morgen die Schuhe auszuziehen und dann barfuß einen Marathon zu laufen. Das kann enorme Verletzungen nach sich ziehen. Unsere Füße sind in Schuhen nichts mehr gewöhnt und das dauert eben ein bisschen, bis sie sich auf die neugewonnene Freiheit eingestellt haben. Gönnen wir ihnen die Zeit der Umgewöhnung.“

Auch rät sie dazu, nicht allzu dogmatisch an die neue Gangart heranzugehen. „Wann trage ich Schuhe? Wenn ich mit Leuten unterwegs bin, denen es unangenehm ist, wenn ich barfuß bin. Ich frage da einfach nach. Warum sollte ich unsere gemeinsame Zeit ohne Schuhe für meine Freunde/Familie anstrengender machen? Wenn ich ab und zu Schuhe trage, dann fällt mir kein Zacken aus der Krone. Eine gewisse Flexibilität finde ich, macht das Leben leichter … Manchmal brauche ich einfach Schuhe. Und dazu sind sie ja auch da. Man braucht Schuhe, wie man Handschuhe braucht: Es ist zu heiß, zu kalt oder zu gefährlich.“

Hier findest du einen kleinen Videokurs zum schrittweisen Erlernen des Ballengangs. Viel Vergnügen beim ausprobieren: www.faszien-senmotic.de. Weiterführende Lektüre mit sehr guten Tipps von Lee Saxby.

Quellen:
Burkhard Reinberg „Bigfoot“; Sabrina Fox „Auf freiem Fuß“

http://sabrinafox.com/warum-ich-Barfuß-gehe/

https://de.wikipedia.org/wiki/Fuß

https://articles.mercola.com/sites/articles/archive/2015/11/21/grounding-effects.aspx

http://barefootrunning.fas.harvard.edu

https://www.faszien-senmotic.de

https://www.faszien-senmotic.de/faszien-therapie/ballengang/videos/

https://www.vivobarefoot.at/pdf/propriozeption.pdf

http://naturalrunningcenter.com/columnists/lee-saxby/

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